Die Verwendung von Kannada-Schriftzeichen unter macOS

Stand: 22.10.2021

Die neueren Versionen des Betriebssystems macOS (früher ,Mac OSX‘ genannt) unterstützen die Verwendung von indischen unicode-codierten Schriftsätzen besser als noch vor wenigen Jahren, aber erstaunlicherweise hat Apple, die grösste Technologiefirma der Welt, es noch immer nicht geschafft, die Verwendung der Schriften der Sprachen von einem Sechstel der Weltbevölkerung – der Bevölkerung Indiens – vergleichbar gut zu unterstützen wie das kostenlose Betriebssystem Linux.

Um auf einem Mac Kannada-Schriftzeichen zu benutzen, braucht man zuerst zweierlei:

Heutzutage wird macOS geliefert mit zwei Schriftsätzen (Kannada MN und Kannada Sangam MN) und zwei Tastaturtreibern (Kannada und Kannada-QWERTY) für das Kannada.1 Diese Hilfsmittel sind zwar brauchbar, aber mangelhaft. Sogar im beim System gelieferten, einfachen Texteditor TextEdit treten ernsthafte Fehler auf: So kann man z.B. zwar „tēlu“ schreiben, aber wenn das t verdoppelt wird, wie im Präsens 1. Person singular, sieht man ein kurzes e, gefolgt von einem Zwischenraum: das Längezeichen für das lange ē ist nicht sichtbar. Ähnliches passiert, wenn man nach einem Doppelkonsonanten ein langes ī schreiben will. Auch treten Probleme mit Vokalzeichen nach einem rēpha auf. Hiermit ist wohl deutlich, dass mit den beigelieferten «Bordmitteln» von OSX, jedenfalls in Version 10.10 des Systems, nicht professionell gearbeitet werden kann.

Zum Schreiben von Texten in Kannada auf einem Mac gibt es mehr als eine Lösung. (Hier erwähne ich nur kostenlose Lösungen, nicht die kostspieligen von kommerziellen Verlagshäusern.)

Lösung 1. Eine radikale Lösung des Problems ist, auf dem Mac mit Hilfe einer sog. Virtualisierungsumgebung2 auch ein kostenloses Linux-System (wie Linux Mint, Ubuntu oder Kubuntu) zu installieren. Meine Erfahrung ist, dass man dies schon in nur wenigen Minuten schaffen kann. So kombiniert man die vorzügliche Unterstützung indischer Schriftsysteme, die Linux bietet, mit dem Bedienungskomfort des Mac (für alle Arbeit, wobei indische Schriftzeichen nicht nötig sind). Für viele Mac-Benutzer ist diese Lösung unbefriedigend, denn man hat in der Regel keinen Mac gekauft, um darauf Linux zu verwenden, auch wenn moderne Linux-Varianten in Bedienungskomfort Windows schon überholt haben und dem Mac sehr nahe kommen.

Lösung 2. Ein britischer Programmierer, der selbst das Kannada nicht beherrscht, hat einen brauchbaren, wenn auch nicht perfekten Mac-Version des Fonts Kedage gemacht (Kedage.dfont)3. Kedage stammt aus der Linux-Welt und ist ein sehr schöner, deutlicher, klassischer Schriftsatz; allerdings muss hier erwähnt werden, dass diese Mac-Bearbeitung zwar brauchbar, aber nicht perfekt ist (wie der Programmierer selbst auch mir gegenüber zugegeben hat. Der Font war als Experiment entstanden und nicht für den professionellen Einsatz gedacht). – Die ‘keyboard layouts’ (Tastaturbelegungen), die auf derselben Webseite angeboten werden, sind brauchbar, aber nicht so einfach in der Verwendung wie die von mir selbst gemachte, die hier heruntergeladen werden kann (http://lmu.zydenbos.net/kannada/Kannada-RZmk2.bundle.zip). Entpacken Sie die Zip-Datei mittels eines Doppelklicks und schieben Sie die resultierende Datei «Kannada-RZmk2.bundle» ins Verzeichnis, wo Ihre anderen Tastaturbelegungen sind (bei mir heisst es «~/Library/Keyboard Layouts»). In den Systemeinstellungen können Sie unter «Tastatur -> Eingabequellen» diesen neuen Tastaturtreiber zum Einsatz bringen. Wählen Sie hier auch (unten im Bild) «Eingabequellen in der Menüleiste anzeigen», damit Sie leicht die Tastaturbelegungen wechseln können: Es entsteht rechts oben auf dem Bildschirm ein Pull-Down-Menü, wo Sie nicht nur die erwünschte Tastaturbelegung wählen können, sondern auch unter «Tastaturübersicht einblenden» sehr schnell sehen können, wie diese Tastaturbelegung zu verwenden ist. Mit dem Kedage-Font kann man in mehreren Mac-Programmen4 befriedigende Resultate erreichen.

Lösung 3. Benutzer der vorzüglichen, kostenlosen Bürosuite LibreOffice haben es viel besser und leichter. Sie ist im Internet zu finden unter http://www.libreoffice.org/. Wenn Sie eine kurze Weile mit diesem grossartigen Stück Software gearbeitet haben, wird es Ihnen gewiss wie mir gehen, und Sie werden die überteuerten und unübersichtlichen Produkte der Firma Microsoft nicht mehr verwenden wollen (probieren Sie einfach. Es kostet nur ein paar Minuten Zeit, die Software zu installieren, und es kostet kein Geld). LibreOffice hat eigene, eingebaute Software (ein sog. ‘font rendering engine’) für den Umgang mit sog. komplexen Schriften. So werden die Schwierigkeiten von OSX umgangen, und man kann beliebige unicode-codierte TrueType- und OpenType-Fonts für indische Schriften verwenden (wie das ursprüngliche Kedage, Mallige, Lohit Kannada, Sampige usw.). Die kostenlosen, freien Fonts Kedage und Mallige können Sie hier und hier herunterladen. (Ergänzung, 29.12.2016: Jetzt können Sie auch die von Google entwickelten Fonts Noto Sans Kannada und Noto Serif Kannada hier herunterladen. Was man hier ,Sans‘ nennt, sind Schriftzeichen mit gleichmässiger Strichbreite, während ,Serif‘ eine variable hat und deshalb etwas eleganter aussieht.) Entpacken Sie diese zwei Zip-Archive und ziehen Sie die Ordner mit den Fonts in einen Ihrer Fontordner (ich habe sie in «~/Library/Fonts»). Sowohl auf dem Bildschirm wie auf Papier sind die Resultate ziemlich befriedigend. Auf diese Weise (LibreOffice mit dem Kedage-Font und meinem Tastaturtreiber) habe ich in den vergangenen Jahren mein Kannada-Lehrbuch geschrieben.

(Ergänzung 2019: Auch das Textverarbeitungsprogramm Nisus Writer hat einen eigenen font rendering engine und kann TrueType- und OpenType-Fonts für indische Sprachen korrekt benutzen. Auch dass Apple-Produkt Pages weiss mit solchen Fonts umzugehen, aber das Pages-Format ist spezifisch für diese Software und ist für Zusammenarbeit mit allen, die sie nicht verwenden, ungeeignet.)

Lösung 4. Die optisch schönste Lösung überhaupt ist die Verwendung des Textsatzsystems TeX mit dem ‘typesetting engine’ XeTeX (in der Praxis in einer erweiterten Form: LaTeX oder ConTeXt, das ich für die Endversion meines Lehrbuches verwendet habe. Ich benutze das vorzügliche Paket MacTeX5). All diese TeX-Software ist kostenlos, aber um sie zu verwenden, muss man Spass an den sehr technischen Aspekten der Computerverwendung empfinden. Auch in dieser Lösung umgeht man die Beschränkungen von OSX, weil XeTeX vom unterliegenden Betriebssystem die Aufgabe der korrekten Wiedergabe indischer Schriftzeichen übernimmt.

Stand: 22.10.2021


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  1. Dies ist der Fall mit macOS Version 10.10.5, „Yosemite“, 10.11.6, „El Capitan“, 10.12.6, „Sierra“ und 10.13.6, „High Sierra“. 

  2. Beispiele von Virtualisierungsumgebungen sind u.a. das kostenlose VirtualBox und das kommerzielle Parallels. 

  3. Seine eigene Webseite http://web.nickshanks.com/fonts/kannada/ scheint nicht mehr zu funktioinieren, also stelle ich den Font hier zur Verfügung. 

  4. Nicht in den älteren Versionen des immer problematischen MS Word – und weil Word immer so problematisch gewesen ist, habe ich offen gestanden gar keine Lust mehr, zu überprüfen ob eine neuere Version besser funktioniert. Es ist auch vollkommen unverständlich, warum man MS Word / MS Office verwenden sollte, wenn es das bessere und gratis erhältliche LibreOffice gibt. 

  5. https://en.wikipedia.org/wiki/MacTeX, herunterladbar bei http://www.tug.org/mactex/. TeX (https://de.wikipedia.org/wiki/TeX) mit den Erweiterungen LaTeX (https://de.wikipedia.org/wiki/LaTeX) und ConTeXt (https://de.wikipedia.org/wiki/ConTeXt) ist ein fantastisches System, das aber völlig anders funktioniert als ein herkömmliches Textverarbeitungsprogramm: Es ist fast wie eine Programmiersprache zur Herstellung von besonders schönen Texten. Im Internet findet man kostenlos alles, was man zur Verwendung von TeX benötigt (z.B. bei Dante – http://www.dante.de/ – Deutschsprachige Anwendervereinigung TeX e.V.).